

Das Leben von Millionen Menschen in der Ukraine ist seit Kriegsbeginn ein anderes. Es sind Tausende Tote zu beklagen. Unzählige sind aus schwer beschädigten Wohnhäusern geflohen. Familien wurden auseinandergerissen, wobei oft die Männer in der Ukraine bleiben, während Frauen, Kinder und ältere Familienmitglieder in anderen Teilen der Ukraine oder in anderen Ländern Schutz suchen.
Habitat for Humanity hat unmittelbar nach Kriegsbeginn vielfältige, situationsentsprechende Hilfsmaßnahmen initiiert. Dazu zählen die Bereitstellung von Notunterkünften in den ukrainischen Nachbarstaaten sowie weitere Nothilfemaßnahmen. Seitdem haben wir unsere Arbeit mit lokalen und internationalen Partnern intensiviert, um uns für mittel- und langfristige Wohnraumlösungen für die Betroffenen einzusetzen. Und dies in der Ukraine selbst, wo es nun auch ein eigenes Habitat-Büro gibt. Bei uns in Deutschland engagieren wir uns im Rahmen unseres Hilfsprojekts zur Wohnungsvermittlung für Geflüchtete.
Geschichten hinter den Zahlen
Aktuelle Wohnraumkrise in der Ukraine
Der im Februar 2022 einsetzende Krieg hinterlässt in der Ukraine bleibende Wunden, nicht nur im Land selbst, sondern insbesondere in den Herzen von Millionen Menschen. In einst lebhaft geschäftigen Straßen herrscht Stille, überschattet von den Trümmern zerstörter Häuser. Die persönlichen Tragödien des Verlustes, haben sich zu einer landesweiten Wohnungskrise entwickelt – der größten seit der Unabhängigkeit der Ukraine.
Millionen von Menschen wurden vertrieben und sind gezwungen, in überfüllten oder provisorischen Unterkünften Schutz zu suchen, wobei sie oft auf die Großzügigkeit von Fremden angewiesen sind.
Im Jahr 2024 waren mehr als 3,5 Millionen Menschen weiterhin auf der Flucht; etwa 4,5 Millionen versuchten in ihre Häuser zurückzukehren, nur um festzustellen, dass diese entweder unbewohnbar oder für immer verloren waren (IOM, 2024). Der Wohnungssektor ist mit über zwei Millionen beschädigten oder zerstörten Häusern, die 10 % des gesamten Wohnungsbestands des Landes ausmachen, mit am stärksten betroffen (Cedos, 2024).
Diese Krise zeigt sich nicht nur in dem Verlust von Gebäuden, sondern auch in den Sorgen von Millionen Menschen, die auf der Suche nach Stabilität, Sicherheit und einem Ort sind, an dem sie ihr Leben wieder aufbauen können. Der Krieg hat besonders gefährdete Gruppen wie Frauen, Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Einschränkungen stark getroffen. Darüber hinaus sind die Bildung und das Wohlergehen vieler Kinder stark beeinträchtigt, da viele Familien angesichts der anhaltenden Vertreibung und des Wohnungsmangels Schwierigkeiten haben, stabile Lebensbedingungen zu finden.
Welche Fortschritte wurden bei der Bereitstellung von Unterkünften für die Betroffenen erzielt?
Die ukrainische Regierung hat erkannt, dass vorübergehende Lösungen – wie Notunterkünfte, modulare Unterkünfte, kurzfristige Mietzuschüsse und Rehabilitationsprojekte – nicht ausreichend sind. Ein neuer Gesetzesentwurf für den Wohnungsbausieht sowohl eine rechtliche Grundlage als auch die Einführung einer umfassenden Wohnungsbaustrategie vor, die endlich langfristige Lösungen für die Krise bieten könnte. Dieser neue Ansatz zielt darauf ab, die veraltete Wohnungsgesetzgebung zu modernisieren und das unwirksame Wohnungsgesetzbuch aus der Sowjetära (1983) durch ein Gesetz zu ersetzen, das der modernen Ukraine entspricht. Die neue Politik setzt auf bezahlbare Mieten, erweitert den sozialen Wohnungsbau und führt finanzielle Ausgleichsmechanismen ein.
Kernstück dieser Reform ist die Schaffung eines einheitlichen Informations- und Analysesystems für den Wohnungsbau, einer Plattform zur Erfassung des verfügbaren Bestands, des Bedarfs an Sozialwohnungen und der finanziellen Unterstützungsprogramme. Das System wird es Vertriebenen auch ermöglichen, Unterstützung für den Wohnungsbau zu beantragen, um eine effiziente und transparente Verteilung der Ressourcen zu gewährleisten.
Obwohl die strategische Stadtplanung und der Wiederaufbau bereits im Gange sind, bleibt die Herausforderung enorm. Das Ziel der Regierung, allen Menschen Zugang zu sicherem und erschwinglichem Wohnraum zu verschaffen, wird erhebliche Investitionen, internationale Unterstützung und die Beteiligung des Privatsektors erfordern.
Habitat for Humanity in der Ukraine
Seit Beginn des Krieges arbeiten wir durch Partnerschaften mit Regierungen, lokalen Organisationen und internationalen Organisationen daran, den dringenden Bedarf nach sicherem Wohnraum der am stärksten gefährdeten vertriebenen und nicht vertriebenen Bevölkerung zu decken.
In der Südukraine arbeiten wir mit der weiterhin mit der Odessa Housing Union zusammen. Im Rahmen des erfolgreichen Programms zur energetischen Modernisierung von Mehrfamilienhäusern (MABs), wurden bis dato zehn Gebäude energetisch saniert. Dies bedeutet eine bessere Heizungseffizienz und geringere Energiekosten für 1.178 Haushalte. Die Folge ist auch eine Verringerung der CO₂-Emissionen um 952,11 Tonnen pro Jahr. Darüber hinaus haben Verbesserungen der elektrischen Effizienz zu 69.024 kWh/Jahr reduzierten elektrischen Energieverlusten geführt, was die CO₂-Emissionen um weitere 27,9 Tonnen pro Jahr senkt.
In der westlichen Stadt Kalush haben wir in Partnerschaft mit der ukrainischen Organisation METALAB ein Pilotprojekt für längerfristige Mietwohnungen für bedürftige Binnenvertriebene ins Leben gerufen. Im Rahmen des Pilotprojekts wird ein leerstehendes städtisches Gebäude zu erschwinglichen, sicheren und barrierefreien Mietwohnungen für 150 Menschen umgebaut.
Darüber hinaus konnten wir 2024 die Arbeitsgruppe des Ministeriums zur Prüfung der Wohnungsbaupolitik mit technischem Fachwissen unterstützen und so Einfluss auf eine gerechtere Wohnungsbaupraxis, die gefährdete Gruppen in nachhaltige Wohnlösungen einbezieht, nehmen.
Ergebnisse seit 2024
🔹 Winterhilfe für 1.082 gefährdete Personen in Cherson und Mykolajiw
🔹 Unterstützung für 2.533 Vertriebene in der Westukraine, darunter viele Frauen mit Kindern und ältere Menschen
🔹 Gesamt: 3.615 vom Krieg betroffene Menschen mit Nahrungsmitteln und Winterhilfe versorgt
Langfristige Rolle in der Ukraine (2025-2030)
Seit 2023 gibt es in der Ukraine ein eigenes Habitat for Humanity-Büro. Zur Stärkung des Wohnsektors setzen wir auf drei Kernbereiche mit dem Ziel eines inklusiven, widerstandsfähigen Wiederaufbaus:
🔹 Bau qualitativ hochwertiger, erschwinglicher Häuser
🔹 Verbesserung der Wohnungswirtschaft
🔹 Förderung politischer Maßnahmen für den Wohnungsbau
Hilfsprojekte mit langfristiger Wirkung
Kurzfristig bieten Übergangswohnungsprogramme und Initiativen zur Instandsetzung schnelle Lösungen für Vertriebene.
Der eigentliche Beitrag von Habitat for Humanity besteht jedoch nicht nur in vorübergehenden Lösungen, sondern im nachhaltigen Wiederaufbau des ukrainischen Wohnungssektors. Im Rahmen von gemeinschaftsorientierten Sanierungsprogrammen sollen Familien technische Anleitung und finanzielle Unterstützung erhalten, um ihre zerstörten Häuser wiederherzustellen. Im Rahmen dieser Projekte werden auch Mehrfamilienhäuser und Wohnungsbaugenossenschaften instandgesetzt.
Das Fachwissen soll einen Beitrag dazu leisten, den Bestand an Sozialwohnungen zu erweitern, Mietkaufprogramme einzurichten und Mikrokredite für Hausreparaturen zu entwickeln. In Zusammenarbeit mit ukrainischen Banken, Gemeinden und internationalen Gebern sollen Wohnungskreditprogramme etabliert werden, die Wohneigentum und langfristige Mieten für vertriebene Familien und einkommensschwache Haushalte erschwinglich machen.
Um die Eigenverantwortung und die Kapazitäten vor Ort zu stärken, wird eine partnerschaftliche Struktur geschaffen. Durch die Zusammenarbeit mit lokalen Regierungen, zivilgesellschaftlichen Gruppen und dem Privatsektor wird zudem die Wirkung verstärkt.
Der Wiederaufbau eines ganzen Wohnungssektors in einem vom Krieg zerstörten Land erfordert mehr als nur Geld; er erfordert Engagement, Koordination und eine langfristige Vision. Doch wenn die Wiederaufbaubemühungen an Fahrt gewinnen, können die ukrainischen Städte perspektivisch gestärkt und widerstandsfähiger werden.
Durch die partnerschaftliche Zusammenarbeit mit lokalen und internationalen Akteuren bauen wir nicht nur Häuser wieder auf, sondern auch Stabilität, Stärke und Selbstbestimmung.